… und wieder ein inhaltsleerer Aufruf
Mal wieder ein so inhaltsloser Aufruf. Inhaltslos, weil zwar die weltweiten Auswirkungen des russischen Angriffskrieges richtig dargestellt werden und richtiger Weise gesagt wird, dass dieser Krieg deshalb so schnell wie möglich aufhören muss, aber mal wieder kein konstruktiver Weg aufgezeigt wird, wie das auf diplomatischen Weg gehen soll.
Auch für meine Parteigenoss:Innen noch einmal: Wünschen kann man sich viel, aber in der Realität sieht es so aus, dass Putin und Russland überhaupt nicht an einer diplomatischen Lösung interessiert sind. Es wird keinen Modus Vivendi geben, solange die russische Aggression nicht beendet ist und russische Truppen von ukrainischem Gebiet abgezogen sind. Ein Waffenstillstand, der diese Bedingungen nicht erfüllt, wird von der russischen Armee nur genutzt werden, um die Kräfte in Ruhe neu aufzufüllen und zu formieren, um dann wieder loszuschlagen.
Der Aufruf enthält die bekannten Allgemeinplätze, NATO keine Kriegspartei, Angst vor dem Nuklearkrieg, vermutete „Rote Linie“ oder auch die unsinnige Aussage zu den absoluten Militärausgaben (die, wie jeder weiß, in der absoluten Höhe aufgrund unterschiedlicher Kosten oder auch unterschiedlicher Sicherheit für die Bediener keine Aussage darstellt). Er enthält aber keine Antwort darauf, wie denn ein Waffenstillstand gesichert werden soll, wie ein Friedensabkommen gesichert werden soll. Wenn man diplomatisch eine Lösung erreichen will – die hierfür als Vermittler genannten Länder sind nebenbei bemerkt bis auf Südafrika aufgrund ihrer autokratischen bzw. totalitären Regierungen aus westlicher Sicht schon mal komplett ungeeignet – dann muss hierfür schon zu Beginn ein konkreter Vorschlag vorliegen. Und damit Diplomatie überhaupt zum Tragen kommen kann, benötigt ein solcher Aufruf auch einen Vorschlag, wie denn überhaupt der Druck aufgebaut werden soll, dass Russland zu Friedensverhandlungen gedrängt werden kann.
Inhaltlich bleibt der Aufruf auch luftleer, wenn es um die zukünftige Sicherheitsarchitektur geht. Wie soll denn eine globale Sicherheitsarchitektur auf Basis des Rechts aussehen? Wie soll das Recht gegen die militärische Stärke durchgesetzt werden? Gilt das dann auch für die vielen Konflikte, die es anderswo auf der Welt gibt, die für den überwiegenden Teil von Hunger und Flucht verantwortlich sind? Wie soll imperiales Vorgehen auf Dauer verhindert werden? Wo sind die Stellschrauben. Auch der Verweis auf Willy Brand ist dabei wenig hilfreich, da Brandt seine Entspannungs- und Friedenspolitik auch deswegen starten konnte, weil seine Politik in einer militärischen Stärke die NATO und deutschen Rüstungsausgaben, die 3,6% des deutschen BIP betrugen, eingebettet war, weil es eine statische Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt gab. Mittlerweile gibt es eine viel dynamischer Weltordnung mit viel mehr relevanten Playern mit unterschiedlichen Zielrichtungen und Verflechtungen auf unterschiedlichen politischen Ebenen. Dies setzt andere Maßstäbe an eine Friedensarchitektur als zu Zeiten Willy Brandts. Die Welt hat sich schon lange von einer Bipolaren zu einer Multipolaren gewandelt, bei der Konflikte nicht nur militärisch ausgetragen werden, sondern sich längst eine hybride Kriegsführung – ohne dass eine Waffe abgefeuert wird – etabliert hat und tagtäglich stattfindet.
Meinen Parteigenoss:Innen empfehle ich, sich noch einmal die Rede von Lars Klingbeil als Ausgangspunkt für die innerparteiliche Diskussion durchzulesen, und nicht solche – vor allem bei der Ukraine aber auch bei unseren Partnern als merkwürdig empfundenen – Aufrufe zu veröffentlichen.
https://augengeradeaus.net/…/Klingbeil_FES_Zeitenwende…
Aufruf zum Anti-Kriegstag 2022 – Joachim Schuster (joachim-schuster.eu)